Auszug aus dem Protokoll der Stiftung historische Kirchhöfe und Friedhöfe
Fahrt des Beirates der Stiftung historische Kirchhöfe und Friedhöfe zu ausgewählten Begräbnisplätzen in der Uckermark am 22. September 2004
Besichtigung Historische Friedhöfe zur Einschätzung des Denkmalwertes
Grimme
Kultur- und kunstgeschichtlich bedeutend ist der alte Teil des Kirchhofs auf der nach hinten leicht abfallenden Hügelkuppe. Der weitgehend verwilderte, vom Ehepaar Ebert in jahrelanger Arbeit im Teilbereichen freigelegte Kirchhof birgt eine Fülle hervorragend gestalteter gusseiserner, gesockelt aufgestellter Kreuze fast aller im 19. Jahrhundert bekannter Typen vom gotisierenden bis zum aufwändig mit Ornamenten bestückten antikisierenden Kreuz. Bei den Kreuzen läßt sich aufgrund des Erhaltungszustandes wunderbar die Technik des Gusses und die Zusammenfügung der vielteiligen Ornamentaufsätze und vielgestaltigen Applikationen (Zusammengelegte Hände für Ehepaare, Lorbeerkranzwerfende Genien, Engel, geknickte Kornähren, Lorbeerkränze etc.). Zu den eisernen Grabzeichen treten ganz hervorragend gestaltete gesockelte Kreuze und Stelen aus dem ortsüblichen blassrötlichen Granitgestein sowie industriell gefertigte Sandsteinkreuze mit Grottenimmitat sowie Kunststeinstelen mit eingelassenen, oft üppig ornamentierten schwarzgläsernen Inschriftentafeln (u.a. der Fa. H. Neumann, Löcknitz). Ein schönes antikisierendes Kreuz schmückt das Grab der "Ehefrau des Bauern Retzlaff 14.12.1823-1.9.1855 31 Jahre, 8 Monate und 18 Tage", ein sehr aufwändiges gusseisernes Gittergrab mit Palmetten und Kränzen um die Pfostenspitzen – um 1850 zu datieren - erinnert heute an den Bauernhofsbesitzer Albert Wrege (1852-1915) und an Ernestine Wrede, geb. Gaude (1856-1942). Ein neugotisches gusseisernes Kreuz mit zierlichen durchbrochen gegossenen Vierpässen in den Balkenköpfen erinnert an die Frau Bauerngutsbesitzerin Beckmann (1862-1883), ein Eisenkreuz mit den klassischen "schinkelschen" Dreipass-Enden an Christian Beckmann (+1886). Eines der schönsten gusseisernen Kreuze mit feinem antikisierenden Ornamentdekor der Balkenenden ist für Carl Wrege (1823-1887) aufgestellt worden. Das vermutlich auffälligste gusseiserne Kreuz mit großen Palmetten und Voluten-Enden sowie einem quadratischen Muster am Mittelbalkenfuß ist für den Gastwirt Wilhelm Hurtienne (5.11.1831-20.1.1900) errichtet worden. Hurtienne erinnert, wie der gleichfalls an gusseisernen Grabzeichen zu findende Name Sy an zahlreiche hugenottische Flüchtlingsfamilien, die sich hier einst in Grimme niedergelassen hatten.
Der Begräbnisplatz ist im März/April 2004 von Vandalen stark beschädigt worden. Insbesondere wurden Grabzeichen umgestürzt, abgebrochen, zerschmettert und viele der gläsernen Inschriftentafeln unwiederbringlich zerstört.
Trotzdem bietet der Kirchhof ein kunsthistorisch bedeutsames Kompendium schöner ortstypischer steinerner Grabzeichen, vermutlich aus der Kgl. Gießerei Berlin stammender Gusskreuze und industriell gefertigte Grabzeichen offenbar lokaler Grabsteinfabrikanten.
Der Kirchhof in Grimme zeigt im besonderen Maße die Problematik historischer dörflicher Begräbnisplätze mit denkmalswerter Grabzeichensubstanz. Von der örtlichen Kommune bewußt vernachlässigt, unter großen Opfern durch nicht ganzzeitig im Ort ansässigen Individualisten (Frau Ebert ist Sammlungsleiterin der Sammlung Archiv in der Stiftung Stadtmuseum Berlin!) gepflegt und allen Unbill schutzlos ausgesetzt, haben diese Kirchhöfe nur eine geringe Zukunftschance. Diese gilt es optimal zu nutzen. Die Unterbringung ausgewählter, besonders kostbarer und typischer Grabzeichen in einem neu zu gründenden und zu finanzierenden Friedhofsmuseum Uckermark – eine ohne Scheu beachtenswerte Idee von Herrn Dreger – kann nur die letzte Lösungsmöglichkeit darstellen. Der Kirchhof in Grimme ist im Übrigen im besten Sinne bereits ein natürliches "Museum" –..."
Dr. Jörg Kuhn